Fahrrad statt Ochsenkarren
Radwallfahrt 2023 auf den Spuren des Heiligen Ulrich
Die Radwallfahrten haben in der PG Marktoberdorf bereits eine beträchtliche Tradition und einen äußerst treuen Stamm an Mitradlern, wie mir als „Neuling“ bei der Probetour am Ostermontag offenbar wurde. Trotzdem hat die diesjährige Radwallfahrt eine Besonderheit. Sie führt im Rahmen des Ulrichsjubiläums als eine Art Auftaktveranstaltung auf den Spuren des Heiligen, der im 10. Jahrhundert von Augsburg aus über das Gebiet, das in etwa der heutigen Diözese entspricht, regierte. In den folgenden Tagen wird uns unser geistlicher Begleiter, Pater Willi von den Missionaren des kostbaren Blutes, immer wieder Impulse aus der Biografie Ulrichs geben: Ulrich wurde 890 in Augsburg geboren und erhielt seine geistliche Ausbildung in der Benediktinerabtei St. Gallen. 923 wurde er zum Bischof von Augsburg gewählt und war damit, wie im 10. Jahrhundert üblich, gleichzeitig Reichsfürst und somit weltlicher Herrscher und Militärischer Befehlshaber. Ulrich führte beide Ämter bis zu seinem Tod 973 über 50 Jahre sehr engagiert und erfolgreich aus. Durch seine Vermittlung konnte ein Adelsaufstand gegen den König und damit kriegerische Auseinandersetzungen verhindert werden. Wenig später musste er die Stadtbefestigungen Augsburgs verstärken und die Abwehr der wiederholt einfallenden ungarischen Truppen organisieren, die 955 auf dem Lechfeld südlich von Augsburg endgültig besiegt wurden. Als Bischof trieb er den Wiederaufbau der kriegszerstörten Gotteshäuser voran und ließ neue Kirchen errichten. Ein besonderes Anliegen waren ihm Reformen innerhalb des Klerus. Er verbesserte die Ausbildung der Priester und legte einen Schwerpunkt auf die würdevolle Liturgie. Gleichzeit nahm er den Lebensstil der Priester in Augenschein und bereiste auch entlegene Gemeinden im Allgäu, was damals eine strapaziöse und gefährliche Tour auf schlecht befestigten Wegen bedeutete. Bischof Ulrich verstarb 973 und wurde in St. Afra beigesetzt. Nur 20 Jahre später wurde er als Erster in einem förmlichen Verfahren heiliggesprochen. Mittwoch, 10.5.23 Ulrich bereiste sein Herrschaftsgebiet mit Ochsenkarren, in Anlehnung daran macht sich unsere Gruppe mit 23 Teilnehmern per Fahrrad auf den Weg durch die Diözese, was angesichts der Wetterprognose ebenfalls gewisse Skepsis aufkommen lässt. Wir treffen uns um 8 Uhr in St. Magnus, versammeln uns um den Altar und erhalten von Stadtpfarrer Oliver Rid den Pilgersegen. Das offizielle Pilgerlied „Mit dem Ohr des Herzens“ erweist sich bereits als erste Herausforderung. Es scheint wenig eingängig und rhythmisch schwierig, doch mithilfe unserer Musikabteilung Rosi und Helmut an den Gitarren bewältigen wir die drei Strophen unfallfrei und es gibt ja noch Gelegenheit zum Üben. Die Fahrt beginnt anschließend trocken und wohl geordnet: vorne Thomas als Führer, am Ende Manfred, dazwischen Bio- und E‑Biker. Aufgrund des zu erwartenden Regens am Alpenrand kürzen wir die Etappe des ersten Tags ab. Statt über Seeg, Wertach und Burgberg geht es nach Aitrang St. Ulrich, wo wir uns im ersten Wegimpuls Gedanken über den eigenen Lebensweg machen und wen wir jeweils auf die Wallfahrt mitnehmen möchten. Diese lassen wir nachklingen auf dem weiteren Weg über St. Alban, Görisried bis Kempten, wo wir im Haus St. Raphael Quartier beziehen. Am Nachmittag bleibt Zeit für einen kleinen Rundgang in der Altstadt zu St. Lorenz, Stiftskirche und St. Ulrich und am Abend beenden wir den Tag spirituell mit der Pilgermesse. In der Predigt stellt Pater Willi dar, was das Christsein ausmacht, nämlich Christus. Es stellen sich für jeden von uns die Fragen: Kennst du Jesus? Glaubst du an Jesus? Hast du dich für Jesus entschieden? Donnerstag, 11.5.23 In der Nacht hat uns die Regenfront erreicht, deshalb halten wir den Morgenimpuls in der Kapelle des Hauses St. Raphael ab. Anschließend folgen wir im Wesentlichen dem Iller Radweg bis zu unserem ersten Ziel, der Wallfahrtskirche Maria Steinbach, die der schmerzhaften Muttergottes und dem Hl. Ulrich geweiht ist. Im spätbarocken Kirchenraum werden wir von Wallfahrtsseelsorger Hubert Veesen in Empfang genommen, der bei unserem durchnässten und leicht ramponierten Zustand spontan aus der Bibel zitiert: „er sah sie … und er hatte Mitleid mit Ihnen“. Sein Mitleid führt dazu, dass er auf eine detaillierte Kirchenführung verzichtet und uns nur das „Blär-Engele“ am Seitenaltar vorstellt, das dafür in Erinnerung bleiben wird. Die restlichen 85 km an der Iller entlang bis Nersingen sind nass und vor allem schlammig, der Radweg an der Iller stellenweise wegen Überflutung unpassierbar, so dass wir Teile umfahren müssen. Gleichzeitig ist auch die Zeit im Auge zu behalten, um 19 Uhr erwartet uns Bischof Bertram Meier in der Nersinger Kirche St. Ulrich zur Messe. Bei nachlassendem Regen kommen wir zügig voran, die Zeit reicht sogar für die grobe Fahrradreinigung an einem Brunnen kurz vor dem Ziel. Zu unserer großen Freude wird ein motorisierter „Shuttle-Service“ zur entfernt liegenden Ulrichskirche durch den Sekretär des Bischofs, Diakon Andreas Martin, und zwei Teilnehmer unserer Wallfahrergruppe, die ein Auto vor Ort haben, organisiert. So sind wir wieder recht fit beim Gottesdienst, den Bischof Bertram Maier mit uns feiert. In seiner Predigt stellt er die Verbindung zu Ulrich her, der als Bischof auch ein Reisender war, der in den fünfzig Jahren seiner Amtszeit tausende Kilometer durch das ihm anvertraute Bistum gereist und den Leuten vor Ort begegnet sei. Seinem Vorbild gemäß solle auch die Kirche von Augsburg heute eine „Hörschule“ sein und, ganz gemäß dem Motto des Ulrichsjubiläums, „mit dem Ohr des Herzens“ hören. Das Anschließende Abendessen mit Bischof Bertram und Diakon Andreas Martin mündet in ein geselliges Beisammensein, das uns auch psychisch wieder restauriert.
Freitag, 12.5.23 Entlang der Donau ist die Route zunächst recht erholsam, gelegentlich durchblitzende Sonnenstrahlen lassen uns dankbar an das gestrige Gebet zu St. Ulrich um besseres Wetter denken. Pater Willi thematisiert in seinem Impuls die Hauptanliegen Ulrichs als Hirte: die „Erneuerung der Kirche“ und die „Erneuerung vorbildlicher Priester“. Bemühungen, die in Zeiten des Ringens um den Synodalen Weg in unserer Kirche aktueller denn je erscheinen. Die Mittagspause nutzen einige Teilnehmer, um in einem Fahrradgeschäft die Ausrüstung auf Vordermann zu bringen. Eine lohnende Investition, denn östlich von Donauwörth wird unsere Route zunehmend abwechslungsreicher, aber auch bergiger und damit anstrengender. Ein weiterer geistlicher Impuls geht auf die persönliche Umkehr (Metanoia), auch die tägliche, kleine Umkehr ein – eine Anregung, die wir gleich in die Praxis umsetzen können, wenn die Route nicht immer klar ist. Schließlich erreichen wir in einer wunderschönen Abfahrt wieder das Donautal und die Stadt Neuburg a. d. Donau. Zügig geht es weiter zum abendlichen Gottesdienst in die Kirche St. Ulrich. Auch das Pilgerlied „Mit dem Ohr des Herzens“ klappt mittlerweile schon ganz gut. Samstag, 13.5.23 Die heutige Etappe wird uns zum Ziel unserer Radwallfahrt führen: zum Grab des Heiligen Ulrich in St. Ulrich und Afra in Augsburg. Anstelle der ursprünglich geplanten Route über Schrobenhausen wählen wir einen relativ direkten Weg nach Augsburg. So erreichen wir, trotz der ersten Reifenpanne, ganz entspannt das Zentrum der Diözese. Gruppenbilder vor dem Haus St. Ulrich, unserer Unterkunft, zeigen, dass sich die Anstrengungen gelohnt haben. Um 16:30 versammeln wir uns in der Krypta an der Grablege des Heiligen Ulrich. Pater Willi zelebriert mit unserer Gruppe einen tief berührenden Gottesdienst, erneut hebt er die bis heute andauernde Bedeutung Ulrichs für uns hervor. Sonntag, 14.5.23 Etwas wehmütig beginnen wir, uns von unserer gemeinsamen Radwallfahrt zu verabschieden. In einer gemeinsamen Abschlussrunde kann jeder noch einmal die Eindrücke der vergangenen Tage Revue passieren lassen. Anschließend lassen wir uns im Pfarrgottesdienst in St. Ulrich und Afra als Pilgergruppe noch ein bisschen loben und treten nach einem letzten gemeinsamen Mittagessen in der Stadt die Heimfahrt per Bus an. Die Radwallfahrt 2023 ist zu Ende – ganz viele Eindrücke, Gespräche, stille Momente werden bleiben. Das Wetter war eine Herausforderung – aber wie wir erfahren haben ist der Hl. Ulrich nicht nur Schutzpatron bei verschiedenen Erkrankungen, er ist auch ein Nothelfer bei gefahrvollen Reisen, Überschwemmung und Sturmfluten, so waren wir durchgehend unter dem besten Schutz. Unsere ganze Wallfahrergruppe kam gesund nach Hause und die Stimmung blieb selbst unter widrigen Umständen sehr, sehr gut. Ein ganz besonderer Dank für die Planung und Organisation der ganzen Fahrt geht insbesondere an Helmut und Thomas und an Pater Willi, für seine Begleitung. Eure Hildegard Bericht: Hildegard Kees-Kautzky |
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