Seit September 2018 gehört Bertoldshofen zur Pfarreiengemeinschaft Marktoberdorf. Um die neue Gemeinschaft zu vertiefen lud der Bertoldshofener Pfarrgemeinderat zu einer Kapellen-Rad-Wallfahrt ein. Am Sonntag 7. Juli trafen sich ca. 100 interessierte Radfahrer bei der alten Schule in Bertoldshofen. Dort wurden die Fahrräder und ihre Fahrer von Pfarrer Oliver Rid gesegnet, bevor die erste Station der Wallfahrt angesteuert wurde.
1. Station: Die Haselkapelle:
Eine kleine, unscheinbare Kapelle am Schlossberg in Bertoldshofen, genannt Haselkapelle war das erste Ziel. Hildegard Stadler erzählte die Geschichte der zwei Kinder des Gaugrafen Bertold, der zur damaligen Zeit (1381) im Schloss auf dem Berg wohnte. Die Kinder hatten sich in der damals noch wilden Gegend verlaufen und wurden schließlich wohlbehalten unter einem Haselnussstrauch schlafend gefunden. Aus Freude und Dankbarkeit über die Rettung seiner Kinder ließ der Gaugraf an dieser Stelle eine Kapelle bauen. Der Haselnussstrauch wurde in den Bau der Kapelle mit einbezogen, daher der Name Haselkapelle.
2. Station: Das Sühnekreuz:
Die nächste Station ließ nicht lange auf sich warten. Auf der Schlossbergsteige steht am Wegrand ein Sühnekreuz dessen Geschichte von Heinrich Hartinger erzählt wurde. Der damalige Pfarrer von Stötten wurde im Jahre 1481, wohl wegen Waldbesitzstreitigkeiten von 2 Bertoldshofener Brüdern erschlagen. Zur Sühne mussten diese einen Geldbetrag an die Hinterbliebenen entrichten putty , mehrere Wallfahrten, unter anderem bis nach Rom, unternehmen und an der Stelle der Tat ein Sühnekreuz errichten. Aus heutiger Sicht ein mildes Urteil für Totschlag aber für damalige Verhältnisse sicher eine erhebliche Strafe.
3. Station: St. Sebastian:
Hoch über Bertoldshofen liegt der Ortsteil Burk, dessen Mittelpunkt die Kirche St. Sebastian bildet. Ritter Heinrich Fraß stiftete 1325 eine Pfarrei in Burk, die 1444 der neu errichteten Pfarrei Bertoldshofen zugeteilt wurde. Die Spätgotische, barockisierte Saalkirche wurde um 1500 erbaut und erzählt dem andächtigen Besucher die Geschichte des heiligen Sebastian, einem römischen Soldaten, der wegen seinem Bekenntnis zum Christlichen Glauben im Jahre 288 zum Tode durch Bogenschützen verurteilt wurde. Sebastian überlebte die „Hinrichtung“ und ließ sich nicht vom Glauben abbringen weshalb er schließlich doch als Märtyrer starb.
4. Station: Marienkapelle in Hagmoos:
Der weitere Weg der Rad-Wallfahrt führte am Bischofsee vorbei nach Hagmoos. Auch ein heftiges Gewitter hielt die Gruppe nicht von ihrem Vorhaben ab alle Kapellen der Gemeinde Bertoldshofen zu besuchen. Dank der Gastfreundschaft der Familie Fink in Hagmoos und vorzüglicher Versorgung mit Kaffee und Kuchen (es gab auch Bier) in einer trockenen Unterkunft wurde das Unwetter schadlos überstanden. Ludwig Fink berichtete auf höchst interessante Weise über die Geschichte der Marienkapelle.
Im Jahre 1762 erbauten 3 Bauern aus Hagmoos dieses Kleinod und ließen es vom Kirchenmaler Otto Welch aus Kaufbeuren künstlerisch gestalten. Um die Gnade der Muttergottes zu erflehen trug der Bauer Meichelböck im selben Jahr eine Marienstatue zu Fuß bis nach Einsiedeln in der Schweiz. Neben Maria werden auch der Heilige Magnus (Patron des Allgäus), die Apostel Petrus und Paulus, der Hl. Josef und Johannes der Täufer in der Kapelle verehrt.
Eine höchst bewegende Geschichte hat eine der beiden Glocken im Turm zu erzählen. Im Kriegsjahr 1942 sollte die Glocke eingezogen und zu Waffen verarbeitet werden. Der Hausener Josef Albrechts rettete die Glocke unter Lebensgefahr indem er sie in einer Nacht- und Nebelaktion vom Marktoberdorfer Bahnhof stahl und bis nach Kriegsende sicher versteckte. Bis 1999 war die Glocke im Oberdorfer Heimatmuseum zu besichtigen, wurde dann aber wieder an ihren angestammten Platz im Kirchturm der Hagmooser Kapelle neben der seit 1948 gestifteten neuen Glocke angebracht.
5. Station: St. Isidor in Hausen:
Bei leichtem Nieselregen ging die Wallfahrt weiter über den Weiler Galgensee zur Isidor Kapelle in Hausen. Der dortige Mesner Willi Hörmann berichtete über die Geschichte der Kapelle und deren Schutzpatron, dem Heiligen Isidor. Er lebte in Spanien als Oberknecht auf einem großen Gut. Durch seinen Erfolg in der Landbestellung neidisch gewordene Knechte verleumdeten ihn bei ihrem Gutsherren und erzählten er würde täglich viele Stunden im Gebet verbringen und so die Bestellung der Äcker vernachlässigen. Als der Gutsherr dies überprüfen wollte fand er Isidor tatsächlich betend vor, während Engel die Ochsengespanne führten und den Acker bestellten. Neben dem Hauptpatron Isidor ehren die Hausener in ihrer Kapelle auch den Heiligen Sebastian und den Heiligen Rochus, der als Schutzpatron gegen die Pest verehrt wird. Eine „Lourdes-Madonna“ steht als Leihgabe der Familie Greiter im Altarraum der Kapelle.
6. Station: St. Rochus:
Die vorletzte Station der Wallfahrt führte zurück nach Bertoldshofen. Dort steht am Ufer der Geltnach die Rochuskapelle. Die Kapelle wurde 1686 an dieser Stelle erbaut nachdem vorher lange Zeit eine kleinere Kapelle vermutlich auf dem Pestfriedhof am Nordabhang des Schloßberges stand. Als besonders wertvoll gelten ein lebensgroßes Kruzifix sowie Figuren der Maria und des heiligen Johannes. Qualitätsvolle Arbeiten aus der Zeit um 1700, deren Schöpfer bislang nicht bekannt ist. Der Schutzpatron der Kapelle, der Heilige Rochus, wird auf Fresken an der unteren Emporenbrüstung dargestellt. Diese wurden 1727/28 von Anton Wenzeslaus Haffe, der auch als Maler für St. Michael tätig war, geschaffen. Sie zeigen Szenen aus dem Leben des heiligen Rochus (der Heilige als Wohltäter/ein Hund bringt dem am Aussatz erkrankten Heiligen Brot/der Heilige im Kerker). An der Decke waren laut Künstlerrechnungen ebenfalls Fresken vorhanden, die aber nicht mehr erhalten sind. Momentan wird die Rochuskapelle als Aussegnungshalle für Bertoldshofen genutzt. Nach entsprechenden Gutachten und Vorarbeiten ist in den nächsten Jahren eine weitere Sanierung – vor allem der Außenfassade – geplant.
7. Station: St. Michael:
Auf der anderen Seite der B472 steht die Pfarrkirche St. Michael. Betritt man den Kirchenraum bleibt der Besucher vor Ehrfurcht staunend stehen. Ein solches Juwel des Spätbarocks in einem Dorf mit ca. 1000 Einwohnern erwarten wohl die wenigsten. Man erkennt hier deutlich die Handschrift des Baumeisters Johann Georg Fischer, der 1727 mit dem Bau begonnen hatte und zur gleichen Zeit für den Bau der Pfarrkirche in Oberdorf verantwortlich war.
Mesner Thomas Osterried hatte die nicht leichte Aufgabe übernommen diese Pracht in wenigen Worten zu beschreiben. Der Dom zu Padua wurde als Vorbild für die Kuppelkonstruktion genommen. St. Michael erreicht zwar nicht die Ausmaße seines Vorbildes aber die außergewöhnlich prächtige Gestaltung macht sie zu einer der schönsten Barockkirchen in Süddeutschland. Als Hauptpatron steht St. Michael mit dem Flammenschwert im Mittelpunkt, dargestellt auf einem großen Gemälde über dem Hochaltar. Als Nebenpatrone werden der Heilige Antonius von Padua und der Heilige Johannes Nepomuk auf Gemälden über den prachtvoll gestalteten Seitenaltären dargestellt.
Eine detaillierte Beschreibung würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Interessierten sei der schön gestaltete Kirchenführer oder eine individuelle Führung durch Thomas Osterried empfohlen.
Dankbar aufgenommen wurden von den Wallfahrern die geistlichen Impulse an jeder Gebetsstätte und in St. Michael eine feierliche Dankvesper.
8. Station: Der Königswirt:
Zu einer Wallfahrt gehört natürlich nach des seelischen auch die körperliche Stärkung. Dafür war beim Königswirt alles bestens vorbereitet. Im Salettl fand die Wallfahrt einen geselligen Abschluss bei einer zünftigen Brotzeit.
Dem Vorbereitungsteam um Jürgen Lehmann und allen Beteiligten, die zum gelingen der Kapellen-Rad-Wallfahrt beigetragen haben sei herzlichst gedankt. Die Pfarreiengemeinschaft ist dadurch wieder ein Stück weiter zusammengewachsen und gestärkt worden.
Das nächste gemeinsame Projekt wurde noch am selben Abend ins Leben gerufen – eine Rad-Wallfahrt zu den Kapellen von Marktoberdorf. Fortsetzung folgt. …
Manfred Künzel. |